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Der ungeduldige Gärtner

Der ungeduldige Gärtner

Einem Elfen, der noch jung an Jahren war, kam es in den Sinn, eine ganz besondere Pflanze zum Wachsen bringen zu wollen. Entdeckt hatte er den Samen bei jenen meisterhaften Hütern aller Gewächse im Tal, denen es Jahr für Jahr gelang, kostbare Pflanzen zu züchten. Deren Früchte waren weit über das Tal hinaus bekannt für ihren Geschmack, der jeden vollends erfüllte, wenn er davon aß.

So legte der junge Elf einen Samen in ein sorgfältig ausgewähltes Stückchen Erde und fing an, sich um sein Wachstum zu kümmern. Er bemühte sich sehr darum, denn er konnte es kaum erwarten, die Früchte der Pflanze in seinen Händen zu halten. Jeden Tag goss er das Stückchen Erde, lockerte es auf und entfernte jedes wuchernde Grashälmchen. Auf und ab rannte er mit Wasserkannen und gejätetem Unkraut und hätte auch das Sonnenlicht aus einer Wolkendecke hervorgeholt, um ihre Strahlen auf seinen kostbaren Samen zu leiten.

Nach getaner Arbeit setzte er sich daneben und schaute gebannt darauf, ob sich schon etwas zeigen würde, ein kleines  Blättchen vielleicht oder wenigstens nur seine Spitze.

So verging Tag um Tag, an dem der junge Elf sein Fleckchen Erde hegte und hütete und hoffte, dass nun endlich ein Pflänzchen daraus emporschießen würde. Aber nichts dergleichen geschah. An manchen Tagen fragte sich der Elf, ob er wohl alles richtig mache. Vielleicht goss er es zu viel? Oder würde der Samen noch mehr Wasser brauchen? Vielleicht einen Dünger? Der junge Elf probierte alles aus und seine Ungeduld wuchs.

Aber aus dem Erdreich rührte sich nichts.

Allmählich befielen den jungen Elfen Zweifel, ob es mit der Pflanze überhaupt noch etwas werden würde. Vielleicht konnte er sich die ganze Arbeit auch sparen! Dann wurde er ärgerlich darüber, den Samen überhaupt gesät zu haben. Bald schon verrichtete er seine Arbeit nur mehr vor sich hin schimpfend, schleppte die Wasserkannen unter Geächze und Gestöhne herbei und warf grollende Blicke auf das Stückchen Erde, in dem ein wohlig schlafender Samen in seinen Träumen lag und sich um seine Plagerei nicht im Geringsten zu kümmern schien.

Eines Tages beschloss der junge Elf, sein Vorhaben aufzugeben. Ein letztes Mal sah er noch auf sein Fleckchen Erde und obwohl ihn Wehmut beschlich und es ihn schmerzte, machte er sich auf und davon, um durch das Tal zu laufen und zu sehen, ob ihm nicht etwas anderes begegnen würde, um das es sich zu kümmern lohnte.

In ärgerliche Gedanken versunken lief er durch Wälder und Wiesen, so gar nicht freudig und ohne ein Ziel, bis er eine Stimme vernahm:

„Hast du es eilig?“ Als er seinen Blick hob, sah er am Wegesrand unter einem riesigen Baum einen Zwerg auf einer Bank sitzen. Er war von kleiner knorriger Gestalt und seine kurzen Beinchen baumelten vergnügt von der Bank. Eine sehnige Hand lag auf einem gewundenen hölzernen Gehstock und sein weißer Bart schlang sich bis auf die Erde, genau vor die Füße des jungen Elfen, der ihn verwundert anblickte.

„Wahrscheinlich hast du gerade keine Zeit dich ein wenig zu mir zu setzen?“ In seiner Stimme lag ein leises Bedauern, das den Elfen seltsam berührte.  Er überlegte nicht lange und ließ sich neben dem alten Zwerg auf der Bank nieder. Im Schatten des Baumes lehnte er sich zurück und streckte seine Füße vor Müdigkeit aus.

So kam er mit dem alten Zwerg ins Gespräch, der ihn freundlich fragte, wohin er denn des Weges wolle und, so schien es ihm, nicht frohen Herzens und voller Erwartung, was einem jungen Elfen in der weiten Welt wohl noch begegnen könne. Zögerlich begann der junge Elf ihm von seiner Geschichte mit dem Samen zu erzählen, von seiner anfänglichen Begeisterung und der ganzen schweren Arbeit, die dann doch zu nichts geführt hatte.

„Tatsächlich“, murmelte der alte Zwerg vor sich hin, während er ruhig zuhörte und ein wenig in seinem langen weißen Bart fingerte. Als der junge Elf mit einem wütenden „nie wieder“ seine Erzählung beendete, sah der alte Zwerg nachdenklich hinauf in die weite Krone des Baumes, der seine Äste auf sie herabließ. Unzählig schienen seine Blätter zu sein, durch die das Sonnenlicht in sattem Grün schimmerte.

„…kaum zu glauben, dass auch er aus einem einzigen Samen hervorkam.“

Der junge Elf, dessen Gedanken sich noch im Kreis drehten, hielt einen Moment inne.

Ein alter Baum …

Er sah ihn an, sein Stamm war breiter als seine eigene Gestalt und die Rinde borstig und voller Furchen.  Ein wenig wie der alte Zwerg sah er aus, wäre dieser nicht so klein gewesen.

„Aus einem Samen, wie es deiner ist …“

Der alte Zwerg sagte es noch immer nachdenklich und wog dabei seinen Kopf bedächtig hin und her. So, als ob er sich dessen nicht bewusst werden konnte, was es eigentlich bedeutete – dass aus einem winzigen Samen dieser starke, mächtige und alte Baum werden konnte. Die dunklen Äuglein des Zwerges funkelten den jungen Elfen an und in sein Schweigen hinein fasste er ihn an den Händen. „Wie sehr musste sein Gärtner darauf vertraut haben, dass aus einem Samen ein wundervoller Baum werden kann!“

Als sich der junge Elf vom Zwerg verabschiedete, strich er noch einmal ehrfürchtig über die Rinde des alten Baumes, der ihn soviel Weisheit lehren konnte. Dann machte er sich wieder auf den Weg zu seinem Fleckchen Erde, in dem ein kostbarer Samen auf ihn wartete…

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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